Roadtrip durch Rumänien

Lesedauer: 10 Minuten

Mit Freude stellen wir Euch heute einen Gastbeitrag vor, der uns auf eine unvergessliche Reise durch Rumänien führt. Die Reise hatte einen besonderen Zweck: den Besuch eines Herstellers eines Segelflugzeugs. Der Artikel wurde bereits vor einigen Jahren verfasst, aber seine Geschichte und Eindrücke sind auch heute noch faszinierend. Daher haben wir uns entschlossen, ihn für unseren Reiseblog aus dem Archiv zu holen und ihn vorzustellen. Im folgenden Beitrag werden wir sicher einige Kilometer durch Rumänien zurücklegen: Unser Verein (Verein für Luftsport Südheide e.V., ehemals Flugtechnischer Verein Metzingen 2001 e.V.) betreibt quasi seit dem Gründungsjahr eine IS28B2 aus rumänischer Herstellung. Das Ganzmetall Segelflugzeug gehört in Deutschland eher zu den Exoten, wurde aber insgesamt 365 mal gebaut. Unsere IS28 mit der Baunummer 358 wurde von Dieter Dobberkau, Heidi und Klaus Huster aus Schweden importiert und in Deutschland eingetragen.

Hey Karsten, hey David! Habt ihr zwei Lust auf etwas Verrücktes??

Stefan

Etwa so lautete mein erster offizieller Aufruf für eine Aktion, die mir schon etwas länger im Kopf rumgeisterte. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Innerhalb weniger Minuten sagten beide spontan zu einer Reise zu die ganz genau betrachtet ins Ungewisse führte. Aufgrund der Tatsache, dass der Kontakt zu dem Hersteller eines unserer Flugzeuge komplett abgebrochen war und damit die Ersatzteilversorgung im Falle eines Falles ungewiss schien. Wir entschieden uns dazu einmal die schöne, und wie sich vor Ort rausstellte sogar sehr schöne, Stadt Brasov in Rumänien zu besuchen und dort wieder einen Kontakt aufbauen zu können. Wie der Zufall wollte, waren die Flugtickets von Hannover nach Buckarest für 188€ zu haben und dadurch wurde es sehr schnell konkret. Die Flüge, der Mietwagen und die Unterkünfte waren schnell gebucht und wir brauchten nur noch dem Tag des Abfluges entgegenfiebern.

Tag 1 – Abreisetag

Hier kam es dann zum ersten und eigentlich auch einzigen unkalkulierbaren Ereignis. Das Sturmtief “Xaver” hatte zwei Tage vor unserem Flug Anlauf auf Europa genommen und am Donnerstag waren so gut wie alle Europaflüge gecancelt. Eifrig wurden die Ticker der Airlines verfolgt und auch der freundliche KLM Twitter Accountbetreuer lies es sich nicht nehmen auf meine Reiseankündigung mit drohenden Ausfälle zu kommentieren. Mit dem Beginn des Abflugtages wurden wir dann vom Glück regelrecht verfolgt, welches sich auf den letzten 1600m meines Heimweges wieder von mir verabschiedete (…aber dazu am Schluss mehr!) Am Nikolaustag trafen wir drei uns dann auf dem Flughafen Hannover um unsere Reise mit dem Flug KL1910 nach Amsterdam zu beginnen. Das Wetter beruhigte sich und der Sturm wich einigen Schneeschauern. Nach der Enteisungs-Zeremonie ging es ohne weitere Verzögerungen los und schon eine Stunde später waren wir in Amsterdam. Das Gepäck wurde schnell in der Gepäckaufbewahrung abgegeben und wenige Minuten später ging es mit dem Zug in die Amsterdamer Innenstadt um den Weihnachtsmarkt zu besuchen. Mit einem Original Döner aus der niederländischen Metropole im Magen konnten wir uns auf den Weiterflug nach Bukarest vorbereiten. Dieser war dank des kräftigen Westwindes fast 40 Minuten dem Zeitplan voraus und wohlgelaunt betraten wir rumänischen Boden. Den Mietwagen konnten wir problemlos am Flughafen entgegennehmen und die erste Etappe im Lande führte uns in ein Hostel im Zentrum von Bukarest. Das Cozyness Downtown Hostel war dann viel mehr als wir für 10€ die Nacht erwartet haben. Eine Atmosphäre wie in einer WG und der überaus freundliche Umgang haben sich für längere Zeit in unseren Köpfen festgebrannt. Eine nächste Reise nach Bukarest würde für uns auch das gleiche Hostel bedeuten.

Tag 2 – Die Reise nach Brasov

Leider war unser Aufenthalt nur sehr kurz, denn das eigentliche Ziel hieß ja nun Brasov. Genau dorthin führte uns unsere erste Überlandfahrt und nach einem ausgiebigen Mittagessen sind wir dann auch auf Kurs gewesen. 200km später und um 600m näher an der Sonne, haben wir unser verschneites Ziel erreicht. Das Betreten unserer Unterkunft gestaltete sich etwas komplizierter, da wir vom Vermieter keine Telefonnummer hatten. Die Mail des Vermieters, der sich nach unserer Ankunftszeit erkundigen wollte, ging leider an uns vorbei. Diese Hürde war innerhalb von 45 Minuten vom Tisch und wir bezogen unsere Appartements, die von innen wesentlich besser aussahen als von außen. Uns überzeugte das Preis-Leistungsverhältnis, denn für gut 65€/Nacht konnten wir zwei Appartements beziehen die uns den Luxus von drei Toiletten, zwei Duschen, zwei Küchenzeilen, drei Schlafräumen und freies W-LAN bescherten. Direkt an der „schwarzen Kirche“ gelegen war es zu unserer Freude nur ein Katzensprung in die Fußgängerzone. An dieser Stelle sei erwähnt, dass unser Netzpionier David sich dazu entschlossen hat, die Reise für eine Internet Auszeit zu nutzen. Dies hat er auch konsequent bis zum Erreichen der heimatlichen Wohnstätte eingehalten. Respect for that!

Zurück nach Brasov.

Für umgerechnet 21,60€ die Nacht habe wir unsere Unterkunft bezogen und uns gleich nach einer kurzen Verschnaufpause auf den Weg in die dämmernde Stadt gemacht. Die schwarze Kirche war in ein schönes Schneebett gehüllt und dermaßen schön beleuchtet, dass gleich drei Fotografen versucht haben den unberührten Platz einzufangen. In der Fußgängerzone angekommen, verschlug es uns zum ersten Mal während unserer Reise die Sprache. Die ganze Fußgängerzone war überdeckt mit Lichterketten. Der zentrale Platz war hell erleuchtet und neben dem Weihnachtsmarkt stand eine riesige Tanne komplett überzogen mit der Lichterkunst.

Das motivierte natürlich zum ersten Glühwein des Tages und bewaffnet mit dem Zuckergebräu schlenderten wir dann dem Abendessen in einem netten italienischen Restaurant entgegen. Widersprüchlich zum deutschen Brauchtum bestellten wir dann statt drei Pizzen zusammen, drei Pizzen hintereinander weg in verschiedenen Variationen und teilten diese unter uns auf. Zusammen mit dem Pilsener, das mit 4,5LEU umgerechnet 1€ fürs 0,4 Liter Glas zu Buche schlug, klang der Abend entspannt aus.

Tag 3 – Der Besuch auf dem Flugplatz

Der Sonntag begann wie der Samstag endete mit leichten Schneefällen. Davon unbeeindruckt machten wir uns auf dem Weg zum lokalen Aeroclub, um den Flugplatz zu besichtigen und vielleicht schon mal eine IS28 zu sehen. Ok, wir sind in der Annahme aufgebrochen zum Aeroclub zu fahren. Ich hatte irgendwie die Büroadresse ins Navi getickert, welches zufälliger Weise genau die Anschrift der IAR Fabrik hatte, die wir eigentlich Folgetag besuchen wollten. Wie zu erwarten war außer einem Wachmann an diesem Sonntag nicht viel zu sehen und kurzerhand ging es direkt weiter zur richtigen Adresse, dem Flugplatz oder Aerodromul Sanpetru. Vor Ort machten wir uns dann auf die Suche nach dem einzigen Kontaktnamen und bereits wenige Minuten später wussten wir das Florin zwar nicht anwesend war, aber den folgenden Tag über Dienst hatte. Somit war das Programm für den Tag erledigt und wir machten uns auf die Suche nach einer Alternative.

Aufgrund der Schneefälle in den vergangenen Tagen führte uns der Weg ins höher gelegene Poinana, welches eines der bekanntesten Skigebiete in Rumänien ist. Zu unserer Überraschung mussten wir feststellen, dass von gefühlt 20 Seilbahnen nur eine ihren Dienst verrichtete. Wir entschieden uns dazu, mit eben dieser den Berg zu erklimmen und auf 1700m ü.N.N unser Mittagessen zu genießen. Aufgrund des Wetters war die Sicht gegen null und keine allzu schöne Panoramasicht der nahen Nachbarberge konnte vom Genuss eines Schnitzels mit Pommes ablenken. Während der Rückfahrt mit der Seilbahn, welche normalerweise im halbstündlichem Takt fährt, zeigten sich die erste Anzeichen von Auflockerungen und auf der Rückfahrt Richtung Brasov konnten wir dann ein herrliches Farbenspiel aus Schnee, Sonne und Schatten bestaunen. Wieder im Appartement angekommen wollten wir eine gute Stunde pausieren um anschließend die Stadt zu erobern. Diese Stunde nutzte David zu dreiviertel für eine ausgedehnte Dusche mit Bewirtung in Form eines Kaltgetränks und einem Snack. Nachdem wir wieder hungrig wie die Wölfe Jagd auf eine angemessene Bewirtung machten, erblickten wir eine vollkommen unscheinbare Tür mit überliegender Aufschrift „Festival 39“.

Auf ein Drink lautete die Devise und kurze Zeit später waren wir in den 30er Jahren angekommen und schwellten der kulinarischen Genüsse aus der Küche. Ein auf und ab zwischen Vorspeisen und Hauptgängen verbunden mit dem Reichen der verschiedensten alkoholischen Spezialitäten, ließen auch den dritten Tag entspannt ausklingen. Zurück im Appartement angekommen, entdeckten wir zufällig beim Zappen durch das rumänische Programm eine Reportage über das Werk das unsere IS28 gebaut hat.

Tag 4 – Unser Besucht bei IAR S.A.

Der letzte vollständige Tag in Brasov. Ohne Umwege ging es diesmal direkt zum Flugplatz wo wir Florin, unseren Kontaktmann, dann schnell fanden und uns gegenseitig vorstellten. Er lies es sich nicht nehmen uns von früheren Tagen zu erzählen und die erflogenen Höhen in den Kapaten aufzuzählen. Direkt auf dem Platz steht auch ein Denkmal, das an eine erflogene Höhe von 11.050 am 11.11.1977 von Erwin Rosch hinweist. (Das Rekordflugzeug steht übrigens unrestauriert immer noch im Hangar des Aeroclubs.) Unsere Herzen schlugen schneller als dann endlich der Hangar geöffnet wurde. Sechs flugfähige IS28B2, eine über 35 Jahre alte Version einer IS28B2, vier IS29D in verschiedenen Ausführungen präsentierten sich im bestem Zustand und ganz ehrlich, wir haben die Münder kaum zu bekommen. Florin erklärte uns seelenruhig die Unterschiede in den verschiedenen Baujahren. Voller Verwunderung stellten wir fest, dass die meisten Doppelsitzer auf dem Lehrerplatz keine Instrumente besaßen. Nachdem wir uns also mehrfach durch den übervollen Hangar geschlängelt haben, nahmen wir im Flugleiter Büro Platz und konnten eine umfangreiche Dokumentensammlung betrachten. Vom Flughandbuch über Reparaturanleitungen bis hin zu kompletten Ersatzteillisten war alles vorhanden.

Nach kurzer Diskussion sagte uns Florin zu, den Ersatzteilkatalog für uns einzuscannen und ihn per Mail zu verschicken. Plötzlich war von draußen Aktivität zu vernehmen und die Hallentore wurden aufgeschoben. Nach und nach wurden alle Flugzeuge auf das Vorfeld in den Schnee geschoben. Eine Wilga die am hintersten Hallenende stand, sollte zur Wartung und dafür musste der komplette Hangar ausgeräumt werden. Wir ließen uns es nicht nehmen tatkräftige Hilfe zu leisten und wenige Viertelstunden später waren alle Segelflieger draußen sauber aufgereiht. Auch die letzte gebaute IS28B2 mit der Seriennummer 365 erblickte das Tageslicht. Kaum zu glauben, dieses Exemplar wurde erst 2008 gebaut nach fast 9 Jahren Baupause zur #364 (BJ1999).

Wir machten viele Bilder und verabschiedeten uns dann zügig um noch rechtzeitig im Werk anzukommen, das nach Florins Auskunft bereits um 13Uhr den Feierabend einläutet. Warum wurde uns dann auch schnell klar. Nachdem wir beim Wachschutz mit Mühe und Not (die englische Sprache ist noch nicht allzu sehr verbreiten!) erklärt hatten was unser Ziel war, wurden wir von Bibo abgeholt. Dieser verstand überhaupt nicht wieso drei verrückte Deutsche denn nun ausgerechnet bei der Firma IAR (Industria Aeronautică Română) vor dem Tor stehen.

Nachdem wir unser Anliegen vermittelt hatten und ihm von unserer IS28 erzählten, hellte sich seine Stimmung auf und wir konnten direkt und ohne Umweg ins Herz der Firma marschieren. Im Konstruktionsbüro angekommen blickten wir auf verschiedenste Blaupausen und einer Dokumentensammlung, die uns erneut die Sprache verschlug. Hier gibt es wirklich noch alles was einmal gezeichnet oder gebaut wurde. Für jedes Flugzeug gibt es eine Bauakte und auch für unsere Seriennummer war eine präsent. Leider durften wir ausgerechnet diese nicht sehen, aber immerhin haben wir uns mit einer Ersatzteilliste schon mal einige Teile aussuchen dürfen, die wir am nächsten Morgen käuflich erwerben wollten. Ich teilte Bibo mit, dass wir sehr gerne mal sehen möchten was noch an Ersatzteilen auf Lager liegt. Auch das war den Rumänen auf den ersten Blick nicht ganz ersichtlich, aber kurze Zeit später waren wir im Gänsemarsch auf dem Weg über das Werksgelände. An dieser Stelle sei erwähnt, dass die Firma leider nur noch sehr kurz existierten wird und der Bereich Sportflugzeugbau sich entweder in der Hubschrauber Fertigung eingliedert oder geschlossen wird.

Wir erreichten also das Lager und hier wurden wir richtig überrascht. Es lagern noch Teile für sage und schreibe 12 komplette Flugzeuge vom Spant 1 bis hin zum Gummipuffer für Instrumentenbretter. Die Versorgung sollte also weiterhin gesichert sein so denn der Bereich geschäftstüchtig bleibt. Wir verabredeten uns dann für den nächsten Morgen um die ausgewählten Ersatzeile abzuholen und den Preis zu verhandeln. Wir verließen das Werk und nachdem die Aufregung ein wenig verflogen war, nutzten wir dann den Nachmittag noch für einen Besuch des Schlosses Dracula in Bran. Dieses Schlösschen wurde vor nicht allzu langer Zeit von einer deutschen Firma renoviert und ist DIE Attraktion in der Gegend. Der Abend verlief unspektakulär mit einem verhaltenem Gelage in einem kroatischem Restaurant.

Tag 5 – Der Tag der Abreise

Früh mussten wir aus den Federn um die Appartements zu räumen und rechtzeitig mit den entsprechenden Barmitteln für unsere Ersatzteile im Werk zu sein. Knifflig war das Abheben der Summe da wir noch keinen Preis genannt bekommen hatten. Hier orientierte ich mich an den letzten Bestellungen, die ich Jahre zuvor getätigt hatte und nutze einen „Barverkaufsfaktor“, der überraschend gut passte. Diesmal ging es zügig mit dem Wachschutz. Bei IAR wurden wir schon erwartet und wie sich zeigte, konnten wir fast alle Teile in Empfang nehmen.

Die Rechnungsstellung war dann relativ einfach und der Sachbearbeiter erinnerte sich sogar an meinen Namen aus den früheren Bestellungen. Dies erleichterte dann auch den Austausch sämtlicher E-Mail Adressen. Dann verließen wir mit den Ersatzteilen und Kontaktadressen im Gepäck die Stadt Brasov. Die ausstehende Strecke über die Berge bis hin zum Flughafen wurden wir von David chauffiert. Hier zeigte sich wieder, dass es sinnvoll ist bei der Übernahme eines Mitwagens sehr pingelig auf die Markierung jeder noch so kleinen Schramme hinzuweisen. So konnten wir ohne Zusatzkosten unseren Polo wieder abgeben und den Flughafen betreten. Aufgrund des Stoßdämpfers, der nun zu unserem Reisegepäck gehörte, gab ich meinen Rucksack auf und hoffte das Beste.

Hoffentlich kommt er auch mit uns zusammen in Hannover an! Der Flug nach Amsterdam verlief ohne Zwischenfälle und auch der anschließende City-Hopper nach Hannover war ereignislos. Am Flughafen verabschiedeten Karsten und ich uns dann von David, der immer noch internetlos unterwegs war. In Altencelle gingen die Wege von Karsten und mir dann auch auseinander. Die letzten 14 Kilometer standen an und ich fühlte mich schon sicher zu Hause als mich genau 1600m vor meiner Haustür das Pech einholte. Ein Metallteil freundete sich mit meinem rechten Hinterreifen an und so musste meine Liebste noch 20 Minuten länger ausharren bis ich mit dem Notrad am Auto den Hof befuhr.

Fazit

Zurückblickend war es ein sehr erfolgreicher Trip, der uns – ich denke ich kann hier für Karsten und David sprechen – viel Spaß bereitet hat. Für den Verein sind bis auf den Verkaufspreis für die Ersatzteile keinerlei Kosten entstanden. Trotzdem währe ohne diesen die Kurzreise nie auf die Beine gestellt worden.

Liebe Grüße
Stefan und David

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